Wenn Euphorie zur Falle wird – Die unterschätzten Risiken von Markt-Hypes
Kaum ein Begriff prägt die Finanzmärkte so regelmäßig – und gleichzeitig so flüchtig – wie der „Hype“. Plötzlich stehen bestimmte Technologien, Branchen oder Aktien im Rampenlicht. Bewertungen steigen schneller als Umsätze. Und bevor fundierte Fragen gestellt werden, herrscht oft bereits FOMO – die Angst, etwas zu verpassen.
Doch was als Innovationsfreude beginnt, kann schnell in Übertreibung kippen. Die Geschichte der Börse ist auch eine Geschichte verpasster Realitäten.
Was ein Hype wirklich ist
Ein Hype entsteht nicht über Nacht. Meist beginnt er mit einem klaren Zukunftsversprechen – sei es Künstliche Intelligenz, Blockchain, Wasserstoff oder das Metaverse. Technologischer Fortschritt trifft auf emotionale Erzählung. Die Story klingt schlüssig, das Wachstum scheint vorgezeichnet. Und Anleger handeln lieber schnell als gründlich. Medien, Meinungen, soziale Netzwerke: Sie alle befeuern die Dynamik.
Die stille Verschiebung von Bewertung zu Erzählung
In Hype-Phasen verlieren traditionelle Bewertungsmaßstäbe an Gewicht. Kurs-Gewinn-Verhältnisse, Cashflow, Verschuldung? Spielt plötzlich eine untergeordnete Rolle. Stattdessen dominieren Kennzahlen wie Nutzerwachstum, Fantasiepotenzial oder – in besonders frühen Phasen – schlicht das Versprechen von Relevanz. Der Markt bewertet dann nicht mehr, was ist, sondern was sein könnte. Und ignoriert dabei oft, wie teuer diese Zukunft bereits eingepreist ist.
Wenn Fantasie zur Belastung wird
Das Problem? Sobald Erwartungen zu hoch steigen, können selbst gute Nachrichten wie Enttäuschungen wirken. Unternehmen, die ein starkes Quartal liefern, aber „nur“ im Rahmen der Prognose bleiben, verlieren plötzlich zweistellig. Der Markt verzeiht keine Normalität, wenn er das Außergewöhnliche erwartet. Und je höher die Euphorie – desto tiefer kann die Ernüchterung ausfallen.
Zwischen Innovation und Überforderung
Natürlich: Nicht jeder Hype ist eine Blase. Viele technologische Entwicklungen verändern unsere Welt tatsächlich nachhaltig. Aber die Geschwindigkeit, mit der Kapital in bestimmte Themen fließt, ist nicht immer gleichbedeutend mit der Geschwindigkeit, mit der diese Themen reale Umsätze oder Gewinne generieren. Wer zu früh zu viel erwartet, wird nicht selten enttäuscht – auch wenn die Vision am Ende Realität wird.
Was bleibt?
Hypes sind nicht per se gefährlich – sie sind Teil der Marktpsychologie. Doch wer sie ignoriert oder blind mitläuft, riskiert mehr als nur Rendite. Er riskiert, die Trennlinie zwischen Substanz und Spekulation aus dem Blick zu verlieren. Die Kunst besteht nicht darin, Euphorie zu meiden – sondern darin, sie zu verstehen. Denn an der Börse zählt nicht nur, was man kauft. Sondern auch, wann – und warum.
Herzlichst
Ihr
Tim N. Becker